Erinnerung an die Anfänge der deutschen Demokratie
175 Jahre badische Revolution 1848/49
In Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste, darunter Nachfahren der damals aktiven „revolutionären Familien“ Hecker, Venedey, Blum, Sigel, Mathy und Sättele und des Nachfahren des damaligen Großherzogs Leopold, Bernhard Markgraf von Baden, erinnerten die Stadt Konstanz und das Rosgartenmuseum im Festsaal des Inselhotels an die frühe Demokratiebewegung von 1848/49. Aus den USA waren rund 30 direkte Nachfahren des badischen Abgeordneten und legendären Freischarenführers Friedrich Hecker angereist, um an der Eröffnung der Sonderausstellung „Jetzt machen wir Republik!“ im Kulturzentrum am Münster und am Festakt zum 175. Jahrestag der Ereignisse teilzunehmen.
OB Uli Burchardt erinnerte daran, dass der „Heckerzug“ und die nachfolgenden Aufstände zwar militärisch gescheitert seien. „Doch der Grundrechtekatalog und die im Frühjahr 1849 in der Frankfurter Nationalversammlung beschlossene erste gesamtdeutsche Verfassung blieben als letztlich erfolgreiche Meilensteine freiheitlicher deutscher Verfassungsgeschichte bestehen“, sagte er. Wenn heute der demokratisch gewählte Gemeinderat unter dem Vorsitz eines gewählten Oberbürgermeisters tagt, RätInnen in freier Rede ihre Meinungen bekunden und engagiert um Mehrheiten ringen, bürgerschaftliche Initiativen den Ratssaal oder die Verwaltung mit ihrem Protest belagern, wenn freie Medien berichten und kommentieren, „dann erleben wir lebendige Demokratie und damit späte Früchte der Revolution von 1848/49“, so der Oberbürgermeister.
Museumsdirektor Tobias Engelsing erinnerte mit Kuratorin Lisa Foege, dem Präsidenten der Museumsgesellschaft, Anselm Venedey, und der Schweizer Historikerin Hope Läubli daran, dass trotz der verfassungspolitischen Bedeutung der Reform- und Revolutionsbewegung von 1848/49 die Erinnerung daran in Deutschland nur schwach ausgeprägt sei. „Bis heute fanden sich im beschaulich-postrevolutionären Konstanz keine parlamentarischen Mehrheiten, um etwa eine Straße nach Friedrich Hecker, Emma Herwegh oder Josef Fickler zu benennen“, stellte Lisa Foege fest. Anselm Venedey hielt fest, dass jeder Mensch Träger unveräußerlicher Grundrechte und deshalb dazu berufen sei, „den Staat selbst mit zu verwalten“. Daran habe sich seit 1849 nichts geändert, die Botschaft bleibe aktuell in einer Zeit, in der die Demokratie weltweit unter Druck gerate.
Hope Läubli rühmte die „Entschlossenheit dieser Männer und Frauen, für ihre Vision einer freiheitlichen Gesellschaft ihre Existenz und ihr Leben zu riskieren“. Die Courage der 1848er, für die Freiheit zu kämpfen, sei „immer noch vorbildhaft.“ Tobias Engelsing bilanzierte, es sei anregend und hilfreich, an den Freiheitsethos der Revolutionäre von 1848/49 zu erinnern, damit in unserer Zeitenwende aus „trotzig-verwöhnten Konsumenten wieder engagierte Bürgerinnen und Bürger werden, die von Grundrechten Gebrauch machen, aber auch die demokratischen Grundpflichten erfüllen und für das Gemeinwesen einstehen“.
Am feierlichen Abend im Inselhotel kam es zu einem „Handschlag der Versöhnung“ zwischen der Familie des Revolutionärs Hecker und dem Nachfahren des damaligen Herrschers Großherzog Leopold, Bernhard Markgraf von Baden. Die vom Rosgartenmuseum ausgerichtete Sonderausstellung im Kulturzentrum erzählt mit nie gezeigten Erinnerungsstücken der Revolution von einer bedeutenden Zeit des Aufbruchs in Baden und an der Schweizer Grenze.
Die Sonderausstellung „Jetzt machen wir Republik! Die Revolution 1848/49 in Baden“ im Kulturzentrum am Münster läuft bis 7. Januar 2024. Im Gewölbekeller wird der Dokumentarfilm von Teresa Renn und Tobias Engelsing zum „Heckerzug“ gezeigt. Dort und im Buchhandel ist ein Bilder-Lesebuch zu haben.