Erster Jahrestag Klimanotstand
Die Stadt Konstanz zieht eine erste Bilanz – OB Burchardt: „Für einen Wandel braucht es die gesamte Stadtgesellschaft“
Am 2. Mai 2020 ist es genau ein Jahr her, dass der Konstanzer Gemeinderat die Resolution zum Klimanotstand beschloss. Seither hat sich viel bewegt. Heute lautet die Antwort auf den Klimanotstand: Stadtwandel. „Für einen solchen Wandel braucht es die gesamte Stadtgesellschaft“, so OB Uli Burchardt. „Der Klimanotstand war das Signal, um das gesamtstädtische Bewusstsein für das Thema Klimaschutz zu stärken. Mit dem Projekt ‚Stadtwandel‘ wollen wir jetzt gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Konstanz klimafreundlicher machen. Das Ziel ist die klimaneutrale Stadt.“
Organisatorisch gut aufgestellt
Eine der ersten Maßnahmen nach der Ausrufung des Klimanotstands hört sich auf den ersten Blick formal an, doch sie hat weitreichende Konsequenzen. Seit Juni 2019 findet der Klimaschutz Berücksichtigung in sämtlichen politischen Beschlüssen, indem jede Sitzungsvorlage für den Gemeinderat auf ihre Klimarelevanz geprüft wird. Eine wesentliche organisatorische Maßnahme innerhalb der Verwaltung war die Etablierung der „Taskforce Klimaschutz“, die Klimaschutzmaßnahmen in den einzelnen Handlungsfeldern ausarbeitete. Einen ersten Zwischenstand lieferte der Klimaschutzbericht, der im Januar 2020 den Gemeinderat und die Öffentlichkeit über bis dahin erreichte Fortschritte und Schwierigkeiten informierte. Unter anderem wurden neue klimaschutzrelevante Stellen geschaffen, ein Klimabürgerrat ins Leben gerufen, eine Solarpflicht für Neubauten sowie die Klimapartnerschaft mit dem Volk der Borari beschlossen.
Auszeichnung für Energiepolitik
Ende November 2019 konnte sich die Stadt über das bislang beste Ergebnis des European Energy Awards freuen. Dies zeigt, dass die Energie- und Klimaschutzpolitik bereits in vielen Bereichen Früchte trägt.
Umweltfreundlicher Verkehr
Auch im Bereich Verkehr kann Konstanz punkten: Der sogenannte Modal Split bescheinigt der Stadt, dass bereits 75 Prozent aller Wege mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. Im Vergleich zu 2007 ist der Anteil an Autos am Gesamt-Binnenverkehr der Konstanzer Bevölkerung um elf Prozentpunkte zurückgegangen, der innerstädtische Radverkehr hingegen hat mit einer Steigerung um zehn Prozentpunkte deutlich zugelegt.
Erfolgreiche Projekte im Frühjahr 2020
Mit der Aktion Klimabäume setzte die Stadt gemeinsam mit den Konstanzerinnen und Konstanzern ein sichtbares Zeichen für den Klimaschutz: Rund 600 Jungbäume fanden Ende März einen Platz in privaten Gärten und tragen dort zur Durchgrünung und Verbesserung des Stadtklimas bei. „Rund 15.000 Bäume stehen auf den öffentlichen Flächen und jährlich kommen Neupflanzungen dazu. Ergänzend tragen Privatgrundstücke bereits wesentlich zur Durchgrünung des Stadtgebiets bei. Hier besteht für EigentümerInnen ein enormes Potenzial, weitere Bäume zu pflanzen und den Klimaschutz mitzugestalten“, erklärt Marion Klose, Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Umwelt.
Im Rahmen des interkulturellen Nachbarschaftsprojekts „Wir im Quartier – Klimawandel hier und dort“ kamen interessierte BürgerInnen ins Gespräch über lokale und globale Auswirkungen des Klimawandels. Die daraus entstandene und für Mitte März geplante Foto-Ausstellung musste aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus leider verschoben werden.
Finanzen neu ausgerichtet
Im Laufe des Jahres 2019 wurde eine Sammlung von über 70 Maßnahmen erarbeitet, von denen viele auch schon umgesetzt wurden. Darunter die Solaroffensive, die Einführung eines Energiemanagements sowie der Austausch der Beleuchtungsanlagen im städtischen Gebäudebestand.
Um nicht nur personell und organisatorisch, sondern auch finanziell über die notwendigen Ressourcen zu verfügen, wurde Ende 2019 zudem der Klimanachtragshaushalt verabschiedet – im Ergebnishaushalt wurden die Mittel nahezu verdreifacht. Insgesamt umfassen die Maßnahmen mit Bezug zum Klimaschutz eine Gesamtsumme von über 9 Millionen Euro. Rechnet man noch die Maßnahmen der städtischen Beteiligungen hinzu, steigert sich der Betrag markant. Einen wichtigen Schritt nach vorne in der Finanzierung kommunaler Klimaschutzprojekte erhofft man sich von der Einführung eines kommunalen Klimafonds. „Der Klimahaushalt ist ein Meilenstein in unserer nachhaltigen Stadtentwicklung. Hierauf können wir aufbauen. Und mit dem Klimafonds verbreitern wir die Basis für die Finanzierung unserer Klimaschutzprojekte“, stellt Kämmerer Ulrich Schwarz fest.
Klimaschutz und Corona-Krise
Mit der Corona-Pandemie wanderte der Fokus vom Klimaschutz auf ein anderes hochaktuelles Thema. Die Krise verdeutlicht einerseits, dass es nicht wie bisher weitergehen kann. Gleichzeitig wird sie sich vermutlich aber auch auf die Rahmenbedingungen der städtischen Klimaschutzmaßnahmen auswirken, vor allem im Hinblick auf finanzielle Ressourcen. Im Bereich der Gebäudesanierung können die vorgesehenen Projekte allerdings noch alle realisiert werden.
Aufgrund der Corona-Beschränkungen im sozialen Bereich müssen einige Projekte zunächst ruhen. So zum Beispiel die Solaroffensive, deren Ziel es ist, den Anteil von Photovoltaik-Anlagen zu erhöhen, um das enorme Potenzial der Solarstromnutzung im privaten Bereich zu nutzen. 2019 startete das Projekt mit einem vielversprechenden Pilotgebiet in Allmannsdorf und Staad, weitere Gebiete und Zielgruppen sollen folgen.
Auch die ursprünglich für den 2. und 3. Mai geplanten Klimaschutz-Aktionstage auf dem Sankt-Stephans-Platz mussten abgesagt werden. Der Gemeinderat hat mittlerweile beschlossen, das Aktionswochenende auf das Jahr 2021 zu verschieben.
Energiespar-Contracting für Konstanzer Schulen
Trotz mancher Verzögerung durch Corona gibt es auch bemerkenswerte Erfolge zu berichten: Nachdem sich die Stadt Konstanz im Herbst 2019 bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) um ein Contracting-Förderprogramm zur Sanierung von vier Schulen beworben hatte, wurde sie Ende April 2020 aus einer bundesweiten Vielzahl an Bewerbern unter die Top 10 gewählt. Die energetische Sanierung der Schulen und Kitas ist einer der wesentlichen Planungsschwerpunkte in diesem Jahr.
Bilanz nach einem Jahr Klimanotstand
Viele Schritte wurden bereits unternommen, um den Klimaschutz zu intensivieren. Diese sind ein vielversprechender Anfang. Doch wie alle anderen Akteure ist auch Konstanz noch weit davon entfernt, die Gefahren des Klimawandels als gebannt ansehen zu können. Nicht nur auf kommunaler Ebene gibt es noch viel zu tun – auch alle anderen sind gefragt, noch deutlich mehr Beiträge zu leisten. Denn Klimaschutz kann nur gemeinsam gelingen.
OB Burchardt: „Corona zwingt uns einen veränderten Alltag und neue Prioritäten auf. Klar ist aber: Der Klimaschutz in Konstanz wird weiter mit der gleichen Entschlossenheit vorangetrieben, wie das schon vor Corona der Fall war.“