Konstanzer Klimaschutzstrategie (2,8 MB)
Wie die Entwicklung zur klimaneutralen Stadt gelingen soll
Die am 25. November 2021 vom Gemeinderat beschlossene Klimaschutzstrategie stellt eine äußerst fundierte und umfangreiche Handlungsgrundlage für Verwaltung und Politik dar. Sie zeigt erstmals gesamthaft auf, was es bedeutet, eine Stadt wie Konstanz bis 2035 zur weitgehenden Klimaneutralität weiterzuentwickeln.
Das Klima-Plus-Szenario
In der Frage, bis wann die Stadt Konstanz klimaneutral werden soll, hat der Gemeinderat am 11. März 2021 beschlossen, das vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) erarbeitete und empfohlene „Klima-Plus-Szenario“ zu verfolgen. Ziel ist eine überaus schnelle Absenkung der nach der „Bilanzierungssystematik für Kommunen“ (BISKO) zu bemessenden Treibhausgasemissionen im Stadtgebiet bis 2035. Damit wäre ein fairer Konstanzer Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaziele (Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C) gewährleistet.
Wesentlicher Faktor: das „CO2-Budget“
Der Weltklimarat (IPCC) hat berechnet, welche Menge Treibhausgasausstoß jeweils noch zulässig wäre, um die globale Erwärmung auf 1,5 °C bzw. auf 1,75 °C begrenzen zu können, wenn gleichzeitig Maßnahmen zur Treibhausgas-Bindung (z. B. Renaturierung von Mooren, Erhalt und Aufbau von Wäldern) ergriffen werden. Die Grafik zeigt in gelb das mit 1,5 Grad Erderwärmung vereinbare „Restbudget“ für Deutschland. Aufgeschichtet sind weitere Budgets (grün/blau), die in Summe das deutsche „Klimaneutralitätsziel 2050“ ergeben, das kürzlich nach dem „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts auf 2045 nachgeschärft wurde.
Konstanz hat mit dem rot gestrichelten Absenkpfad dagegen von Vornherein einen „Paris-konformen“ Weg gewählt: Das zugrunde gelegte „Restbudget“ entspricht zwischen 1,5 und 1,75 Grad, geht aber nicht davon aus, dass die Reduktion rein linear erfolgen kann, weil am Schluss besonders schwer zu dekarbonisierende Bereiche übrig bleiben. Umso wichtiger ist es, in den kommenden Jahren sehr rasch Minderungen zu erreichen und die weitgehende Klimaneutralität auf 2035 vorzuziehen. Würden wir mit der bisherigen Reduktionsgeschwindigkeit weitermachen, wäre das deutsche Restbudget dagegen vor 2030 bereits vollständig aufgebraucht und wir alle müssten (theoretisch) abrupt auf Null abbremsen. Die weltweit und auch in Deutschland bislang zu geringen Emissionsreduktionen erklären auch, warum wir inzwischen nicht mehr bis 2050 Zeit haben – zu viel unseres Budgets haben wir bereits genutzt.
Schnelle Absenkung der Emissionen notwendig
Der Absenkpfad des Klima-Plus-Szenarios geht folglich davon aus, dass Konstanz gemeinsam mit weiteren Kommunen deutlich ambitionierter voranschreitet und dabei letztlich auch Bund und Land „mitzieht“. Der Pfad sieht eine überaus schnelle Absenkung der Emissionen im Stadtgebiet bis 2035 vor, wobei Maßnahmen außerhalb des Territoriums nicht angerechnet werden. Daher endet auch dieses Szenario im Gegensatz zu Städten, die Kompensationsmechanismen einbeziehen, nicht 2035 bei Null. Im Rahmen des Szenarios werden allerdings zusätzlich „Plus-Maßnahmen“ im Bereich des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Kohlenstoffsenken ergriffen und Nachhaltigkeitsprojekte unterstützt. Diese schlagen sich nicht direkt in der kommunalen CO2-Bilanz nach deutschlandweit anerkannter BISKO-Methodik nieder, werden aber dennoch als notwendig für den Klimaschutz erachtet.
Städtische CO2-Bilanz
Die Bemessung der Treibhausgasemission folgt der „Bilanzierungssystematik für Kommunen“ (BISKO). Diese ermöglicht durch die Standardisierung der Bilanzierungsmethodik einen deutschlandweiten Vergleich von Treibhausgasbilanzen mit anderen Kommunen. In der Bilanz berücksichtigt werden alle im betrachteten Territorium anfallenden Verbräuche auf Ebene der Endenergie. Anhand des Endenergieverbrauchs lässt sich wiederum eine Treibhausgasbilanz ermitteln.
Im Jahr 2018 lag die gesamtstädtische Treibhausgasbilanz in Konstanz bei etwa 428.000 Tonnen. Der überwiegende Teil entfällt auf private Haushalte (43 %), den Gewerbebereich (32 %) sowie den Verkehr (20 %). Das entspricht einem jährlichen Treibhausgasausstoß von 5 Tonnen pro EinwohnerIn. Hinzu kommen weitere ca. 5 bis 6 Tonnen aus den Bereichen Ernährung und Konsum, die in der kommunalen Treibhausgasbilanz jedoch nicht erfasst werden, da sie größtenteils außerhalb des Stadtgebiets entstehen.
Handlungsfelder und Maßnahmen
Strategie und Planung
Das Handlungsfeld Strategie und Planung bildet den Rahmen für einen effektiven Klimaschutz. Organisatorische Maßnahmen und eine solide finanzielle Grundlage ermöglichen ein zielführendes und dauerhaftes Engagement für den Klimaschutz. Im Handlungsfeld Strategie und Planung liegt der Fokus vor allem auf einer weiterführenden Finanzierung sowie einer Erweiterung der Personalressourcen im Klimaschutz bei gleichzeitiger Einbettung in effiziente Bearbeitungsstrukturen (Klimaschutz als Querschnitts- und Steuerungsaufgabe).
Darum geht’s:
- Festlegung von Zielen (Klimaneutralität 2035)
- Personal-/Finanzkapazitäten
- Berücksichtigung der Klimafolgekosten
- Netzwerkausbau und -aufbau
- Capacity Building
- Monitoring
Gebäude
Um die Klimaschutzziele der Stadt zu erreichen, müssen der Energiebedarf und der CO2-Ausstoß der Konstanzer Gebäude drastisch gesenkt werden. Zudem müssen bis 2035 sämtliche Heizungsanlagen auf erneuerbare Energien umgestellt werden und das PV-Ausbaupotenzial auf den Gebäuden vollständig erschlossen sein
Darum geht’s:
- Klimaneutralität der öffentlichen Hand bis 2035
- Klimaschutz und Denkmalschutz
- Umsetzung von innovativen Leuchtturmprojekten
- Ressourcenschonendes Bauen
Nachhaltige Energieversorgung
Bis 2035 muss das gesamte Energiesystem in Konstanz auf eine nahezu fossilfreie Versorgung umgestellt werden. Das bedeutet, dass sowohl Wärmenetze als auch Einzelversorgung von Gebäuden überwiegend mit strombasierten Wärmepumpen betrieben werden, die ihre Wärme aus der Umgebung (Sonne, Luft, Wasser, Erde) oder aus sonstigen Abwärmequellen holen. Zur Unterstützung dieser Systeme ist der massive Ausbau der Photovoltaik in Konstanz und der Windkraft in der Region nötig, außerdem müssen die Nord-Süd-Stromtrassen ausgebaut werden und verschiedene deutschlandweit bestehende Hürden für die Produktion erneuerbaren Stroms fallen.
Darum geht’s:
- Ausbau von Strom- und Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien
- Transformation und Ausbau von Wärmenetzen
- Planerische Verankerung in der Stadtplanung und -entwicklung
- Strategische Wärme(netz)planung
Bewusstseinsbildung, Konsum und Freizeit
Die Klimaschutzziele können von Politik, Verwaltung oder weiteren Akteuren in Konstanz nicht alleine erreicht werden. Grundlage einer erfolgreichen Umsetzung sind die BürgerInnen, die sich aktiv an vielen verschiedenen Maßnahmen beteiligen und durch ihr klimaschonendes Verhalten die Umsetzung erst ermöglichen.
Darum geht’s:
- Verankerung des Klimaschutzes in der Zivilgesellschaft
- Mitwirkungs- und Handlungsmöglichkeiten
- Erleichterung und Bestärkung von Suffizienz
- Stärkung regionaler nachhaltiger Angebote
Mobilität
Dreiviertel aller innerstädtischen Wege legen die KonstanzerInnen bereits zu Fuß, per Rad oder mit dem ÖPNV zurück. Für das Ziel der Klimaneutralität ist es erforderlich, den Pkw-Verkehr im Stadtgebiet zu halbieren und die Verkehrsleistung im ÖPNV zu verdoppeln. Außerdem spielt die Art und Weise, wie wir über die Stadtgrenzen hinaus mobil sind, für die individuelle CO2-Bilanz eine wichtige Rolle.
Darum geht’s:
- Stärkung umweltfreundlicher Verkehrsmittel
- Verursachergerechte Bepreisung
- Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs
- Förderung der E-Mobilität
- Digitalisierung und Vernetzung
- Monitoring
- Nachhaltige City-Logistik
Kosten
Alle Maßnahmen zusammengenommen (inkl. ÖPNV-Ausbau), liegen die vom ifeu angesetzten Kosten im Jahr 2022 bei etwa 7 Mio. € und steigen dann bis 2026 auf ein Niveau von etwa 19 Mio. € jährlich an. Die Einnahmenseite entwickelt sich, leicht verzögert, parallel dazu. Die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung (M1), dem Klimafonds (SP2) und der Klima-Taxe (K11) steigen bis 2024 auf etwa 3 Mio. € jährlich. Mit der Einführung des Mobilitätspasses liegen die Einnahmen dann ab 2025 bei etwa 13 Mio. € jährlich.
Mittelfristig (gestrichelte Linie) ergibt sich dadurch ein Finanzbedarf für den städtischen Haushalt von etwa 6 Mio. € pro Jahr. Voraussetzung ist, dass die angenommenen Einnahmen tatsächlich so generiert werden, was insbesondere eine deutliche Verteuerung des motorisierten Individualverkehrs mit sich bringt. Insgesamt sind sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite also von politischen Entscheidungen abhängig, die auf Grundlage der Klimaschutzstrategie erst noch anstehen.
So geht es weiter
Für 2022 hat die Verwaltung gemeinsam mit dem ifeu neun besonders prioritäre Maßnahmenfelder definiert. Zu diesen Schwerpunkten zählen:
- der Ausbau von Photovoltaikanlagen auf eigenen Dach- und Freiflächen
- der Auf- und Ausbau von Förderangeboten und Beratungskapazitäten
- die Erarbeitung von Sanierungsfahrplänen durch die größten städtischen Gebäudeeigentümer
- die Bearbeitung von Grundsatzfragestellungen wie „Klimaschutz und Denkmalschutz“
- der Ausbau der strategischen Wärmeplanung und von Wärmenetzen
- integrierte Quartierskonzepte und Stellen zum Sanierungsmanagement
- die Förderung der Ansiedlung von Handwerksbetrieben im Ausbaugewerbe
- die Weiterentwicklung des „Stadtwandel“-Kommunikations- und Beteiligungskonzepts
- die Schaffung von Vorrangnetzen für aktive Mobilität und Erstellung des Klimamobilitätsplans
Nach dem Beschluss der Klimaschutzstrategie am 25. November im Gemeinderat wurden die Kosten für die bereits 2022 prioritär anzugehenden Maßnahmen dem Haupt- und Finanzausschuss am 2. Dezember 2021 vorgelegt. Im Januar 2022 wurden sie im Rahmen der Verabschiedung des Haushaltsplans 2022 beschlossen.
Im ersten Quartal 2022 ist eine Informationsveranstaltung für die Bürgerschaft zur Klimaschutzstrategie geplant (Ort und Zeit werden noch bekannt gegeben). Anschließend wird gemeinsam mit den KonstanzerInnen herausgearbeitet, wie sich die Bevölkerung für die Klimaschutzstrategie engagieren kann.