Städtepartnerschaft neu denken
Seit 15 Jahren besteht die Städtepartnerschaft zwischen Konstanz und der chinesischen Stadt Suzhou. Wie sie in Zeiten globaler Krisen und Konflikte weiterentwickelt werden kann, wurde u.a. beim 35. China-Asien-Netzwerktreffen thematisiert.
Auf den regelmäßig stattfindenden China-Asien-Netzwerktreffen können Interessierte Erfahrungen und Informationen über China und Asien austauschen. Erstmalig fand der Abend als Hybrid-Veranstaltung statt. TeilnehmerInnen konnten sich per Zoom zuschalten und mitdiskutieren. Die Organisatoren Claus-Dieter Hirt (Leiter der Abteilung Repräsentation des Referats Oberbürgermeister) und Prof. Dr. Helmut Weber (HTWG) stellten zur 35. Auflage am 6. April im Historischen Ratssaal die Städtepartnerschaft zwischen Konstanz und Suzhou in den Mittelpunkt. Unterstützt wurden sie dabei vom China Netzwerk Baden-Württemberg (CNBW), das durch den Vorsitzenden des Vorstands CNBW, Dr. Elmar Stumpf, und den zweiten stellvertretenden Vorsitzenden, Jochen Schultz, vertreten wurde. Die CNBW-Beirätin Dr. Christine D. Althauser hielt das Hauptreferat zum Thema „Über die Bedeutung, Chancen und Herausforderungen von (Städte-) Partnerschaften in einer sich verändernden Welt“. Christine Althauser war seit 1985 für das Auswärtige Amt tätig und lehrte u.a. an der Universität Freiburg. Die Politikwissenschaftlerin, Slawistin und Sinologin war von 2017 bis 2021 Generalkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Shanghai.
Strategische Ziele entwickeln
„Uralte Traditionen und höchste Innovationen prägen China gleichermaßen“, beschrieb Althauser ihre Eindrücke des bevölkerungsreichsten Landes der Welt. Das Element des Wettbewerbs – auch der Städte gegeneinander – sorgte für viel wirtschaftliche Dynamik. Althauser erklärte, dass sich eine neue Weltordnung abzeichne. Zwei Zäsuren seien erkennbar. Einmal die Pandemie, die die globalen Lieferketten und Wirtschaftsbeziehungen beeinflusse. Und seit dem 24. Februar auch der Ukrainekrieg, der die „regelbasierte Weltordnung aufgekündigt“ habe. „Die Welt ist abgeschotteter geworden. Das Reisen ist schwieriger geworden und wird es auf absehbare Zeit wohl bleiben“, prognostizierte die ehemalige Diplomatin. Das verändere auch die deutsch-chinesischen Beziehungen und erschwere Städtepartnerschaften, da der persönliche Austausch fehle. Die globalen Krisen machten Kooperationen schwer, China werde auch als systemischer Rivale gesehen. Althauser plädierte dafür, die Städtepartnerschaften nicht aufzugeben. „Das Schreckgespenst ist, nur noch übereinander, aber nicht mehr miteinander zu reden.“ Jedoch müssten die Interessen und Ziele neu definiert werden. „Für die EU und China ist es interessant, Felder zu suchen, die beiden Seiten einen Mehrwert bieten“, gab Althauser zu Bedenken. Konkrete, zeitlich begrenzte Projektpartnerschaften seien deshalb praktikable Möglichkeiten. Auf deutscher Seite sei ein Umdenken und eine Anpassung nötig. Konstanz und Suzhou wären Städte, bei denen Wasser ein großes Thema darstelle. Dies böte einen guten Anknüpfungspunkt. In der Diskussion erzählten Anwesende aus verschiedenen Bildungseinrichtungen und Institutionen von ihren aktuellen Erfahrungen mit China. So sei es schwierig, neue Kontakte zu knüpfen, vor allem, wenn es einen internen Wechsel bei Ansprechpartnern gebe. Thematisiert wurde auch, dass China Städtepartnerschaften politisch verstehe und nicht als Bürgerinitiative. Auch die Kommunikation und das interkulturelle Verständnis seien Hürden für den Austausch.
Die Gärten Suzhous
Im zweiten Vortrag des 35. China-Asien-Netzwerktreffens führte Stadtrat Dr. Heinrich Everke in die Fotoausstellung „Die Klassischen Gärten von Suzhou“ ein, die in der Musikschule zu sehen ist. Everke sei einer der Protagonisten der Städtepartnerschaft mit Suzhou, würdigte Claus-Dieter Hirt dessen Einsatz. Hirt zählte verschiedene Projekte und Veranstaltungen der Städtepartnerschaft auf, die im Laufe der vergangenen 15 Jahre stattgefunden haben, wie der SchülerInnenaustausch zweier Konstanzer Gymnasien mit Suzhou und Shanghai, gegenseitige Delegationsbesuche, die sich um Themen wie Recycling, Wasserversorgung und Rentensysteme drehten, Kunstprojekte wie die von Jeremias Heppler, der die Inspirationen aus Suzhou in eine Konstanzer Ausstellung übertrug, Konzerte, wirtschaftliche Kooperationsprojekte sowie der Austausch der Kliniken im Bereich TCM.
Heinrich Everke hatte 1991 chinesische Medizin in Nanjing studiert, der Beginn seiner Auseinandersetzung mit der Philosophie chinesischer Gärten. „Man kann sie in ihrer Anlage nur verstehen, wenn man das chinesische Denken erfasst und die historischen Zusammenhänge“, sagte Everke, der mit Illustrationen und Fotos seine spannenden Ausführungen veranschaulichte. Die chinesische Gartenkultur unterscheide sich deutlich von der europäischen. Sie sei vor allem mit dem Prinzip des Tao verbunden. „Tao ist das Gesetz, wie die Natur funktioniert, das Werden und Vergehen des Lebens.“ Das Tao ist geprägt von der Polarität von Yin und Yang: weiblich und männlich, Gut und Böse, hart und weich etc. Die berühmten Gärten von Suzhou spiegelten diese Dualität wider. Everke stellte die wesentlichen Bestandteile heraus wie zum Beispiel künstlich angelegte Seen und Hügel, ungewöhnlich geformte Vegetation und Steine. Eine ausgeklügelte Architektur solle immer wieder neue Naturbeobachtungen und innere Kontemplation ermöglichen. Alle verwendeten Materialien und Pflanzen wiesen über sich selbst hinaus. So sei der Bambus ein Symbol für den Beamten, Goldfische stünden für Reichtum und Chrysanthemen symbolisierten die Rückkehr zum Ursprung.