BLAU. Faszination einer Farbe
Blau ist für viele die schönste aller Farben, eine Lieblingsfarbe, die auch in der bildenden Kunst einen besonderen Platz einnimmt und als bedeutungsreiches Faszinosum inspiriert. Nun widmet ihr die Städtische Wessenberg-Galerie eine exklusive Ausstellung. Die Schau vereint die eindrucksvollsten blauen Kunstwerke der Sammlung und entführt mit rund 80 Werken aus dem 19. Jahrhundert, der Romantik und des Biedermeiers sowie Schätzen des Expressionismus, der Abstrakten Malerei und der zeitgenössischen Kunst in die reiche Kunst- und Kulturgeschichte dieser Farbe.
Diese beginnt im Abendland mit der christlichen Kunst, wo vor allem der ewig blaue Mantel der Maria einen besonderen Blickfang darstellt. Sein Blau geht auf einen rätselhaften blauen Purpur der Bibel zurück. Irdische Menschen mussten sich mit Indigo begnügen, dem einzigen lichtechten Pflanzenfarbstoff für Blau. Im 18. Jahrhundert wurde dieser auch in Konstanz industriell verarbeitet (Familie Macaire), dann ab 1887 synthetisch hergestellt, so dass zunehmend alle Bevölkerungsschichten bis hin zu den Soldaten und Arbeitern blaue Textilien trugen. Hierbei kommen emotionale und moralische Aspekte hinzu, die Blau als kalte und asexuelle Farbe zeigen, die seit dem Mittelalter als Symbol der Treue galt. So wurden im 19. Jahrhundert Frauen häufig in einem keuschen und sittsamen Blau dargestellt, ursprünglich auch die Mädchen, bevor um 1850 der Matrosenanzug Blau als genuin männliche Farbe etablierte.
Einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung bilden Landschaften, die Blau als immaterielles Naturphänomen schildern. Mit Hilfe der Luftperspektive öffnet das Blau die Bilder in eine suggestive Fernlandschaft. Der Romantik diente diese Sicht als Ausdruck ihrer Naturseligkeit und anderer Sehnsüchte. Besonders stimmungsvoll sind Stadtansichten, die die Magie der Blauen Stunde einfangen und besinnliche Gefühle ausmalen. Solche Bilder, wie auch die Nachtstücke (Nocturni), sind oft von einem melancholischen Mondlicht erleuchtet. Lebensfroher erscheinen die taghellen Seestücke (Maritimes), die oft den Bodensee zeigen. Hier regiert das ewige Blau von Himmel und Wasser, das heute vor allem für Freizeitvergnügen steht, sich aber auch als Sehnsucht nach Frieden und Freiheit empfinden lässt.
Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem „Museum für die Farbe Blau“ in Schwetzingen. Zur Ausstellung erscheint ein Begleitheft.
Flyer zur Ausstellung (243 KB)
Mehr zur Ausstellung:
Aus Wessenbergs Sammlung: Genreszenen und Tronien im Niederländischen Stil
Die Wessenberg-Galerie beherbergt heute noch 141 Bilder aus Wessenbergs Nachlass. 31 davon stammen von flämischen bzw. holländischen Künstlern. Viele Werke seiner Sammlung erwarb Wessenberg auf Reisen. Unter den von ihm gesammelten Malern sind Angehörige aus der Utrechter, der Flämischen und der Holländischen Schule, die im 17. oder 18. Jahrhundert aktiv waren. Wessenberg besaß zudem einige Kopien. Zu Lebzeiten genossen sie noch einen höheren Stellenwert als heute. Werke angesehener Künstlerinnen oder Künstler, die sonst nicht zu erwerben waren, konnten so gesammelt und zu Hause intensiv betrachtet werden.
Genrebilder mit Menschen in alltäglichen Situationen, etwa beim Tischgebet oder Kartenspiel, gehören zu den typischen Bildgattungen nordischer Maler. Eine eher unbekanntere Bildkategorie sind Tronien – Darstellungen von Köpfen oder Menschen im Brustprofil. Es handelt sich dabei nicht um Portraits einer bestimmten Person zum Zweck der Repräsentation, sondern um sogenannte „Charakterköpfe“, die einen Wesenszug oder eine Altersgruppe wie Kinder oder alte Menschen zur Geltung bringen. Die Gesichtszüge in Tronien sind nicht selten in einer Bewegung eingefroren oder zeigen Personen in auffälliger Kostümierung und ausdrucksstarker Mimik. Tronien dienten den Künstlern als Studienköpfe für mehrfigurige Kompositionen, wurden aber auch als eigenständige Bildschöpfungen für den Kunstmarkt geschaffen.
Bild: Eigentum des Landes Baden-Württemberg. Erworben mit Mitteln der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH.
Hans Meid – Eros und Gewalt
1908 zog Hans Meid (1883 Pforzheim - 1957 Ludwigsburg) von Meißen, wo er für die berühmte Porzellanmanufaktur tätig gewesen war, nach Berlin, um dort sein Glück als freischaffender Künstler zu suchen. Unter dem Einfluss des aktuellen Berliner Kunstgeschehens begann er sich zunehmend am Impressionismus zu orientieren und rückte die Druckgraphik, vor allem die Kaltnadelradierung, in den Mittelpunkt seines künstlerischen Interesses. Innerhalb kurzer Zeit beherrschte er das gesamte Ausdrucksspektrum dieser Technik: Er belebt die Oberflächen seiner Darstellungen durch das akzentuierte Wechselspiel von Hell und Dunkel und erzeugt durch die Differenzierung der Schwarz-Weiß-Werte eine geradezu malerische Wirkung.
Meid griff in seinen frühen Radierungen die gesamte Bandbreite des impressionistischen Themenkanons auf. Auffallend ist jedoch sein Interesse für Aktdarstellungen. Meist sind es dramatische Szenen, die zwischen Eros und Gewalt changieren, die ihn inspirierten. Eingespannt ins enge Geviert des Blattes zeigt er wie in „Venusberg“ oder „Leda“ orgiastisch ineinander verschlungene Leiber. Aber auch das jähe Umschlagen von Lust in Gewalt („Die Ehebrecherin“) oder das unverhohlen Bedrohlich-Übergriffige gelangt in Blättern wie „Hades und Persephone“ und „Susanne im Bad“ zur Darstellung. Meids sinnliches Licht- und Schattenspiel lässt die nackten Körper leuchten, unterstreicht deren Bewegungen und steigert die den Szenen innewohnende Erregung.
Nach dem Ersten Weltkrieg verlor sich Meids barocke Formensprache, doch seine Vorliebe für unheimliche oder gewalttätige Vorgänge im diffusen Zwielicht dominierte sein Werk bis zuletzt. Biblische Themen wie „Die Versuchung des heiligen Antonius“ zeigen den von finsteren Mächten bedrängten Eremiten. Die der griechischen Mythologie entnommene Geschichte von der Entführung der Europa spielt dagegen im hellen Tageslicht, aber die Dramatik des plötzlichen Raubs der Königstochter versteht Meid auch in wenigen entschieden gesetzten Strichen höchst anschaulich zu machen.