Zehn Jahre Startpunkte in Konstanz

Niedrigschwellige Unterstützung für Familien von Anfang an

Eine Gruppe Frauen steht vor einer Wand.
Das Team der Startpunkte in Konstanz (v.l.n.r.): Maja Scherer-Evers, Birgit Gutzeit, Tanja Tritschler-Haupenthal, Koordinatorin Yvonne Richter, Silke Mahn, Lisa Tauscher und Ines Krauter-Harney. Bild: Stadt Konstanz

Ein Kind zu bekommen, kann das Le­ben ganz schön auf den Kopf stellen. Plötzlich sind da tausend Fragen, auf die man eine Antwort sucht: Wie klappt das Stillen? Was kann man tun, damit das Kind besser schläft? Wann startet man am besten mit der Beikost? Für all diese Fragen gibt es in Konstanz gute Anlaufstellen: Vor zehn Jahren wurde hier ein Netz­werk geschaffen, das Familien in der sensiblen Phase rund um die Geburt und in den ersten Jahren als Eltern unterstützt. Zentraler Bestandteil des Netzwerkes sind die Startpunk­te, die es in Allmannsdorf, Peters­hausen, Königsbau, Wollmatingen, Dettingen und in der Altstadt gibt. 
„Die Idee hinter den Startpunkten entstand aus der Beobachtung, dass viele junge Familien in Konstanz kei­nen familiären Background haben“, erklärt Yvonne Richter, Netzwerk­koordinatorin der Startpunkte. „Man sagt ja immer, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erzie­hen. Früher spielten dabei Großfami­lien eine tragende Rolle, aber heute fehlt oft das soziale Netzwerk und viele Eltern fühlen sich isoliert. Und genau da wollten wir mit den Start­punkten ansetzen.“ 
Das Konzept sollte Begegnungen und den Austausch ermöglichen – und das möglichst niederschwellig. „Wir wollten einen Ort schaffen, wo alle einfach hinkommen können“, sagt Richter. „Um andere Familien kennenzulernen, aber auch um Fra­gen loszuwerden. Und das müssen keine großen Fragen sein, da geht es nicht immer gleich um ein Riesen­problem. Sondern auch mal darum: Wie macht ihr das mit dem Stillen? Sind bei Euch die Nächte auch so anstrengend?“ Oft entlaste es die El­tern schon, wenn sie hörten, dass sie mit einem Problem nicht alleine sind. Möglichkeiten zum Austausch mit anderen gibt es beispielsweise bei Schwangerenkreisen, Geburtsvor­bereitungskursen oder Babytreffs, aber auch bei Vorträgen und Work­shops zu verschiedenen Themen. 
Von der Idee zum etablierten Netzwerk

Was vor zehn Jahren als Modellpro­jekt begann, entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einem eta­blierten und wichtigen Bestandteil der Frühen Hilfen in Konstanz. Die Grundlage dafür legte ein Beschluss des Jugendhilfeausschusses der Stadt Konstanz: Dessen Ziel war es, ein flächendeckendes Angebot zu schaffen, das Familien bereits ab der Schwangerschaft begleitet. 
Vorreiter des heutigen Netzwerks Startpunkt Leben war das Baby­forum, das sich 2009 gegründet und wichtige Pionierarbeit geleistet hat. Mit dem gesetzlichen Auftrag an die örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe entstand dann das Netzwerk Startpunkt Leben und die Strukturen wurden zusammenge­führt zu einem Netzwerk, das Hand in Hand arbeitet und die verschie­denen Akteure wie zum Beispiel Ge­sundheitsfachkräfte, Kinderärzte, Gynäkologen, (Schwangeren-) Be­ratungsstellen und das Jugendamt zusammenbringt. So entstand eine Art Verantwortungsgemeinschaft, die gemeinsam Angebote für Fami­lien entwickelt und betreut. 
Gesteuert wird das Netzwerk von der Planungskonferenz. Diese liefert als sektoren-, träger- und fallüber­greifende Kooperationsform Impul­se zur Gestaltung der Infrastruktur in Konstanz und besteht aus Fach­kräften des Gesundheitswesens, der Kinder- und Jugendhilfe und weite­ren Sektoren. „Dieses Miteinander in Konstanz finde ich schon sehr, sehr eindrücklich“, sagt Richter. „Hier ist es ganz selbstverständlich, dass beispielsweise ein Kinderarzt zu ei­ner Familie sagt: Gehen Sie doch mal in den Startpunkt. Das finde ich echt toll.“ Die Startpunkte hätten sich auch sehr schnell gut etabliert. „Die Startpunkt-Kolleginnen waren sehr nah an den Bedürfnissen und Bedar­fen der Eltern dran. Und haben dann auch zeitnah gemerkt, was wir für weitere Angebote brauchen.“ So sei beispielsweise auch klar geworden, dass etwa bei den Startpunktcafés die Altersspanne von 0 bis 3 Jah­ren einfach zu groß war. „Da haben die Kolleginnen in den Startpunkten beschlossen, dass es noch einen zweiten offenen Treff braucht – und so sind auch die Babytreffs entstan­den.“
Klassische Eltern-Fragen und ganz neue Sorgen 
Viele Themen, die Eltern vor zehn Jahren beschäftigt hätten, seien heute noch die gleichen: „Stillen, Schlaf, Ernährung, Bewegung und so weiter – da sind viele Dinge gleich geblieben“, sagt Richter. „Oder wenn die Kinder ein bisschen älter werden: Wie reagiere ich, wenn sich mein Kind auf den Boden schmeißt und losbrüllt? Wenn es dann ein zweites oder drittes Kind gibt, kommen die Geschwisterfragen hinzu.“ 
Aber es gebe durchaus Bereiche mit Veränderung: „Wir erleben bei­spielsweise, dass manche Familien sehr großzügig sind im Umgang mit Medien. Andere sind vielleicht auch unsicher: Braucht mein Baby schon Medienkompetenz? Und was ist das eigentlich genau?“ Ein weiterer Punkt seien die sozialen Medien, die durchaus auch Druck ausüben könn­ten: „Manche haben immer wieder die perfekte Insta-Mama vor Augen und stellen sehr hohe Ansprüche an sich. Da muss man auch immer wie­der mal vermitteln: Es gibt keine per­fekte Mama und das braucht es auch gar nicht.“ 
Ein weiterer Punkt, der viele Fami­lien sehr beschäftige, sei der Mangel an Betreuungsplätzen. „Die Familien können in der aktuellen Situation nicht mehr davon ausgehen, dass sie mit ein oder zwei Jahren einen Kita-Platz haben. Und dann ist der Start­punkt nach wie vor eine wichtige An­laufstelle für die Familien, die sonst nirgends angedockt sind.“ Die Start­punkte arbeiten bei diesem Thema auch eng mit den Vergabestellen für Kita-Plätze zusammen. „Es kommen immer mal wieder Kollegen von dort in die Startpunkte, um das Verfahren vorzustellen. Auch der Tagesmüt­terverein oder die Kolleginnen vom Fachdienst Kindertagespflege sind regelmäßig in den Startpunkten.“ Die Startpunkte seien auch hier ein niedrigschwelliges Angebot für die Familien, um über Sorgen sprechen zu können. 
Das aktuelle Angebot in den Startpunkten
 
Heute gibt es sechs Startpunkte in Konstanz, die jeweils an verschiede­nen Standorten wöchentlich geöff­net sind. Die Angebote reichen von offenen Treffpunkten für Eltern mit Babys bis hin zu Themenabenden zu Gesundheit und Erziehung. Erreicht werden damit zahlreiche Eltern und Kinder in Konstanz: 2023 besuch­ten wöchentlich rund 93 Familien die sechs Startpunkte. Beliebt seien auch die „Begrüßungsgeschenke“ für frisch gebackene Eltern, sagt Richter. Mit einem Gutschein für ein Geschenk werden die Familien auch zu einem Gespräch eingela­den. „2023 haben meine Startpunkt-Kolleginnen knapp 50 Prozent aller Eltern mit Neugeborenen damit er­reicht.“ Die Familien erhalten dabei individuelle Informationen zu den Angeboten der Frühen Hilfen und können auch gleich ihre ersten Fra­gen stellen. 
Darüber hinaus bieten die Start­punkte Eltern-Kind-Kurse, Beratun­gen zu Ernährung und Gesundheit sowie offene Treffen, bei denen die Eltern sich untereinander austau­schen können. Ein besonderes Merk­mal der Startpunkte ist es, dass immer auch Fachkräfte anwesend sind, die flexibel auf die Fragen und Bedürf­nisse der Eltern eingehen können. „Unsere Fachkräfte reagieren auch spontan auf Themen, die in den Treffs aufkommen. Wenn sie beispielswei­se merken, beim Kaffee ist Trocken­werden das Thema, dann können sie direkt dazu jemanden einladen oder selbst die Fragen aufgreifen.“
 
Ein Blick in die Zukunft der Startpunkte
 
Für die Zukunft der Startpunkte wünscht sich Yvonne Richter unter anderem, das Angebot weiter aus­zubauen. „Wir hoffen, dass im neu­en Stadtteil Hafner, der derzeit ent­wickelt wird, ein weiterer Startpunkt entstehen kann“, sagt sie. „Wir gehen davon aus, dass dort auch viele jun­ge Familien hinziehen. Und die bishe­rigen sechs Startpunkte sind einfach so an ihrer Leistungsobergrenze, dass das nicht einfach mit den be­stehenden Strukturen aufgefangen werden kann.“ Ein weiterer Wunsch sei, dass der hohe Stellenwert der Startpunkte erhalten bleibe: „Damit wir weiterhin unsere Arbeit gut und mit ausreichenden Ressourcen ma­chen können.“


Zahlreiche Angebote zum Jubiläum
 Zum 10-jährigen Bestehen der Start­punkte Konstanz erwartet die Fami­lien und alle anderen Interessierten in Konstanz ein abwechslungsrei­ches Jubiläumsprogramm. Eines der Highlights ist der Familiennachmittag am 30. November im Kulturzentrum am Münster. Das Programm bietet Spannendes für Groß und Klein und läuft von 14 bis 17 Uhr

(Erstellt am 31. Oktober 2024 10:51 Uhr / geändert am 31. Oktober 2024 10:58 Uhr)