CO2-Inventur für Konstanzer Unternehmen
Studierende der HTWG Hochschule Konstanz nehmen direkte und indirekte Emissionen in den Fokus und machen Vorschläge für effektive Einsparungen
Wie viel CO2 verursacht ein Unternehmen und mit Hilfe welcher Maßnahmen kann es klimapositiv werden? Eine Gruppe von Studierenden aus dem Studiengang Umwelttechnik und Ressourcenmanagement hat sich unter der Leitung von Dr. Maike Sippel, Professorin für Nachhaltige Ökonomie, mit genau dieser Frage beschäftigt – am lebenden Objekt sozusagen. Die Studierenden haben die CO2-Bilanzen von fünf Konstanzer Unternehmen aufgestellt und Strategien entwickelt, mit deren Hilfe die Firmen zeitnah klimapositiv werden könnten. Während der vergangenen Monate analysierten sie, in welchen Bereichen die Softwareunternehmen combit und SEITENBAU, das Forschungszentrum für Solarenergie ISC Konstanz, das VOGLHAUS CAFÉ UND KAUFHAUS und die Gastronomie der Insel Mainau bisher am meisten CO2 produzieren und wie sie den Ausstoß des Klimagases am effektivsten senken können.
Geschäftsreisen, Stromverbrauch, Heizung – die Liste der CO2-Produzenten ist lang
In ihre Bilanzen flossen direkte und indirekte Emissionen der Unternehmen selbst ein wie zum Beispiel diejenigen, die sie durch Strom- und Wärmeverbrauch oder den Einsatz von Kühlmitteln verursachen. Sie analysierten aber auch sogenannte vor- und nachgelagerte Aktivitäten wie Geschäftsreisen, die Anfahrt der Mitarbeiter oder die Klimawirkung der verkauften Produkte. Einer der Hauptverursacher von CO2, den die Studierenden sowohl bei combit und SEITENBAU als auch beim ISC Konstanz identifizieren konnten, war die Mobilität. Fuhrparks, Anfahrtswege und Geschäftsreisen fielen bei der Bilanzierung besonders stark ins Gewicht. Die vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen: Mehr E-Fahrzeuge statt Verbrenner, mehr Bahnfahrten statt Flüge, mehr Videokonferenzen statt Vor-Ort-Geschäftstermine.
Die Unternehmen äußerten sich optimistisch zu den Vorschlägen. „Bei der Reduzierung von Geschäftsreisen hat uns Corona bereits einen Schub gegeben. Wir haben mittlerweile viel mehr Kunden, die Online-Termine als zeit- und kostensparende Alternative zu Vor-Ort-Terminen schätzen“, sagte combit-Gründer Peter Magulski. Ähnliches lässt sich bei SEITENBAU beobachten, wo zudem bei den firmeneigenen Geschäftswagen auf E-Mobilität umgestellt wurde.
Fleisch, Pommes und Kuhmilch gehören zu den größten Klimasündern in der Gastronomie
In der Gastronomie der Insel Mainau haben vor allem Fleisch- und stark verarbeitete Gerichte wie Pommes Frites große Auswirkungen auf das Klima. Im VOGLHAUS CAFÉ UND KAUFHAUS, dessen Gastronomieangebot bereits zu 98 Prozent auf pflanzlichen Lebensmitteln basiert, treibt vor allem die noch verbleibende Kuhmilch im Kaffee den CO2-Ausstoß in die Höhe.
Beide Unternehmen wollen als Maßnahmen unter anderem auf die Sensibilisierung ihrer Kunden setzen. Martina Vogl kann sich vorstellen, den durch die Klimawirkung der Kuhmilch entstehenden gesellschaftlichen Schaden zukünftig in den Preis eines Kuhmilch-Kaffees mit einzupreisen – das wären etwa zehn Cent Aufpreis beim Kaffee mit Kuhmilch, mit dem Kompensationsprojekte unterstützt werden sollen. Daniel Ette, Leiter Nachhaltigkeit und Energie der Mainau GmbH, will Besucher zum Beispiel in Speisekarten auf vegetarische Alternativen zu Fleischgerichten aufmerksam machen.
Es gehe bei der Klimabilanz nicht nur um die CO2-Bilanz eines Unternehmens, sondern um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, sagt Gerd Burkert, Geschäftsführer der gemeinnützigen Energieagentur Kreis Konstanz, die Unternehmen bei der Berechnung ihres CO2-Fußabdrucks und Maßnahmen zur Reduzierung berät. Oft werde von Unternehmen das Einsparpotenzial unterschätzt. „In vielen Querschnittstechnologien, wie etwa Beleuchtung, Wärmeversorgung und Lüftungsanlagen sind Einsparungen von deutlich über 20 Prozent möglich. Unternehmen werden so aktive Teilnehmer der Energiewende und sparen dabei auch noch Geld“, sagt Burkert.
Allein durch Einsparungen kann aber kein Unternehmen eine positive Wirkung auf das Klima erlangen. Um klimapositive Prognosen zu erstellen, bezogen die Studierenden der HTWG deshalb zusätzliche Maßnahmen ein. Abhängig von ihren nach Ausschöpfung der Einsparpotenziale verbleibenden Emissionen investieren die Unternehmen dazu in den Klimaschutz. Sie beteiligen sich zum Beispiel finanziell an Anlagen für erneuerbare Energien, die mehr Energie liefern als das Unternehmen braucht, oder unterstützen Ausgleichsmaßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren oder Projekte für Klimagerechtigkeit in Entwicklungsländern.
„Das Projekt war ein voller Erfolg. Beim Klimaschutz geht es jetzt um eine Steigerung der Geschwindigkeit und ein höheres Ambitionsniveau. Die Studierenden konnten hierzu mit ihrer Arbeit bei den Praxispartnern einen echten Impuls setzen. Davon profitieren die Studierenden, die Unternehmen und schließlich die Gesellschaft insgesamt“, resümiert Prof. Dr. Maike Sippel.