„Eine Promotion ist immer auch Persönlichkeitsbildung“
Das kooperative Promotionskolleg an der HTWG feiert den 10. Geburtstag
Eine Promotion ist ein Kraftakt - ein Lebensabschnitt, der von Höhenflügen und Durchhängern begleitet wird. Doktorandinnen und Doktoranden, die an der HTWG forschen, erhalten Unterstützung bei fachlichen und persönlichen Herausforderungen durch das kooperative Promotionskolleg der Hochschule. Vor zehn Jahren wurde es auf Initiative von Prof. Dr. Josef Wieland gegründet. Es wurde eine Erfolgsgeschichte. Insgesamt 48 Nachwuchswissenschaftler haben in der Dekade den Doktortitel erlangt, darunter Absolventinnen und Absolventen von Hochschulen für angewandte Wissenschaften wie auch von Universitäten.
Die HTWG hat als Hochschule für angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg kein Promotionsrecht. In Zusammenarbeit mit einer Universität können Professoren der HTWG jedoch Doktoranden betreuen. Die gemeinsame Betreuung und Begutachtung durch Hochschule und Universität wird kooperative Promotion genannt. Solche kooperativen Promotionen bieten sich insbesondere bei anwendungsorientierten Fragestellungen und Forschungsthemen an. Eine enge Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen wissenschaftlichen Institutionen und Unternehmen, nicht zuletzt aus dem Mittelstand, zeichnet die Forschung an der HTWG aus. Das Promotionskolleg macht den Nachwuchswissenschaftlern das Angebot, sich über Fachgrenzen hinweg auszutauschen, über das wissenschaftliche Arbeiten im Allgemeinen und an der HTWG im Besonderen. Außerdem bietet es fachübergreifende Weiterbildungen, zum Beispiel zu methodologischen Fragen.
Er habe für besonders begabte Studierende ein Angebot an der HTWG schaffen wollen, um sie an der Hochschule halten und um damit die Attraktivität der HTWG zu steigern, erinnerte sich der Initiator des Promotionskollegs Prof. Dr. Josef Wieland in einer Online-Feierstunde anlässlich des runden Geburtstages. So hat er den Doktoranden den Blick über die eigene Disziplin hinaus ermöglicht, indem er beispielsweise zu Vorlesungen zur Geschichte der Sozialtheorien oder der Naturwissenschaften einlud. „Eine Promotion ist immer auch Persönlichkeitsbildung“, betonte Wieland. Gleichzeitig habe das Promotionskolleg sukzessive ein Netzwerk aufgebaut – zu hochschulinternen Services, aber auch zu den kooperierenden Universitäten. Ziel war schließlich immer auch, eine hohe Qualität der Forschungsarbeit zu sichern. Prof. Dr. Gunnar Schubert, Vizepräsident Forschung, Transfer und Nachhaltigkeit dankte Prof. Wieland für seine Initiative. Das Promotionskolleg sei heute ein integraler Bestandteil der Forschung an der Hochschule Konstanz, sagte er und betonte: „Die HTWG bietet Nachwuchswissenschaftlern mit ihrem starken Praxisbezug attraktive Forschungsthemen, die Karrierewege in Wirtschaft und Wissenschaft ermöglichen.“
Dass diese Ziele erreicht worden sind, bestätigten Absolventinnen des Promotionskollegs. Anna-Maria Nuñez Vega zum Beispiel. Sie hat im Fachbereich Verfahrenstechnik der HTWG in Kooperation mit der Universität Kassel über Trocknungsverfahren von Nahrungsmitteln promoviert. Dass sie einmal den Doktortitel tragen würde, hätte sie zu Beginn ihres Studiums nicht erwartet. Ihre Wissbegierde und die Suche nach Erklärungen habe sie jedoch durch die akademische Laufbahn immer weitergetrieben. Zunächst studierte sie Physikalische Technik an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, dann den Master Umwelt- und Verfahrenstechnik, der gemeinsam mit der HTWG angeboten wird. Als ihr späterer Betreuer Prof. Dr. Werner Hofacker ihr den Weg zur Promotion vorschlug, sagte sie zu. Neben der fachlichen Betreuung durch Prof. Hofacker und die Universität Kassel schätzte sie die Kontakte im Promotionskolleg: „Der Blick über den Tellerrand im Promotionskolleg war sehr lehrreich. Und der Austausch mit anderen Doktoranden sehr wichtig, gerade da ich zu Beginn meiner Arbeit die einzige Doktorandin im Fachbereich war.“ Heute lebt sie in Indien, wo sie als Chief Technical Officer für einen Hersteller von Getreidekühlern arbeitet.
Von der Promotion zur Professur
Auf einen anderen Weg hat die Promotion Lisa Ranisch geführt: Sie lehrt und forscht heute als Professorin für nachhaltige Unternehmensführung und angewandte Ethik an der Hochschule Amberg-Weiden. Vorausgegangen waren ein Bachelor-Studium in Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Universität Konstanz sowie ein Master-Studium „Angewandte Ethik“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Durch „einen segensreichen Zufall“ sei sie auf eine Stellenausschreibung an der HTWG aufmerksam geworden – und damit auf die Möglichkeit, hier zu promovieren. Von 2013 bis 2016 arbeitete sie in verschiedenen Projekten von Prof. Dr. Stephan Grüninger am Konstanz Institut für Corporate Governance und forschte dazu, wie Unternehmen integer handeln können und welche Managementsysteme hierfür notwendig sind. Prof. Dr. Josef Wieland betreute sie als Doktorandin, der zwischenzeitlich den Lehrstuhl für Institutional Economics an der Zeppelin Universität übernommen hatte. Nach der Promotion arbeitete sie in einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Heute ist sie Studiengangsleiterin für das Masterprogramm "International Management & Sustainability" und begleitet als wissenschaftliche Leitung des Instituts für Nachhaltigkeit in Technik und Wirtschaft selbst Nachwuchswissenschaftler auf ihrem Weg zur Promotion.
„Du bist dann erfolgreich gewesen, wenn Dinge, die du angestoßen hast, noch funktionieren, wenn du weg bist“ – mit diesen Worten dankte Prof. Dr. Hanno Langweg, wissenschaftlicher Direktor des kooperativen Promotionskollegs, seinem Vorgänger Prof. Dr. Josef Wieland. Sechs Jahre nach der Gründung des kooperativen Promotionskollegs hatte dieser sein Amt übergeben. Seitdem ist Prof. Dr. Hanno Langweg im Amt, in dem er das Kolleg weiterentwickelt hat. So hat er beispielsweise das Modell SPQR – „Spending Quality Time with Early Stage Researchers“ entworfen, um betreuenden Professorinnen und Professoren mehr Zeit zur Betreuung zu schaffen.
Professor Langweg und Kollegsreferentin Géraldine Kortmann hatten trotz Einschränkungen der Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass der wissenschaftliche Austausch unter den Doktoranden nicht zum Erliegen gekommen ist. Dazu trug unter anderem eine feste Veranstaltung im Jahreslauf bei: das Sommerkolloquium. Es bietet den Doktoranden Raum für Präsentationen und Diskussionen ihrer Forschungsinhalte vor einem fachfremden Publikum, aber auch für prozessuale Fragen rund um die kooperative Promotion sowie über Rahmenbedingungen und Weiterqualifikation während der Promotion. In diesem Jahr bot es zudem den Rahmen für die Geburtstagsfeier des Kollegs.