Heimat Hafner: Ein neuer Stadtteil entsteht

Herausforderung „Klimaneutralität“

Schematische Darstellung einer möglichen Energieversorgungsvariante für den Hafner – bei der exakten Abgrenzung der Energieerzeugungsflächen im weiteren Planungsprozess wird der Erhalt vorhandener Biotope und hochwertiger Freiflächen von besonderer Bedeutung sein. ---- PVT: Kombination aus Photovoltaik und Solarthermie, EWS: Erdwärmesonden, die prinzipiell sowohl genutzt werden können, um dem Erdreich Wärme zu entziehen (Winterhalbjahr) oder ihm Wärme zuzuführen (saisonale Langzeit-Wärmespeicherung im Erdreich während des Sommerhalbjahres), Geothermie: Nutzung der Erdwärme, z. B. mittels Erdwärmesonden

Die Entwicklung des neuen Stadtteils Hafner ist das größte Konstanzer Stadtentwicklungsprojekt der nächsten Jahre. Es sollen neue Wohn- und Gewerbeflächen geschaffen werden, die Entlastung für den angespannten Wohnungsmarkt bringen und Wohn- und Lebensraum für alle Bevölkerungsgruppen bieten. Bei großen Stadterweiterungen, die einen erheblichen Eingriff in die Natur und Landschaft, aber auch in die Siedlungsstruktur bedeuten, ist eine möglichst nachhaltige und resiliente Entwicklung wichtig. Eines der Ziele, welches für das Projekt Hafner schon sehr früh definiert wurde, ist daher die möglichst klimaneutrale Entwicklung des Stadtteils.
 
Die klimaneutrale Entwicklung eines ganzen Stadtteils ist eine große planerische Herausforderung. „Klimaneutralität“ bedeutet schließlich, dass durch ein Vorhaben keine zusätzlichen klimaschädlichen Gase in die Atmosphäre gelangen. Die Grundlagen hierfür müssen in verschiedenen Projektphasen geschaffen werden:
 
1) Planungs- und Bauphase


Bereits in der Planungsphase entstehen beispielsweise durch Personaleinsatz und Bereitstellung von Arbeitsinfrastruktur Treibhausgasemissionen. Diese Emissionen sind jedoch marginal im Vergleich zu dem, was durch richtige Planung an anderen Stellen eingespart werden kann.
 
2) Verwendete Baustoffe


Einen deutlich größeren Anteil in der Gesamtbilanz machen Baumaschinen, schwere Nutzfahrzeuge und insbesondere die verwendeten Baustoffe aus. Besonders viele Emissionen fallen beispielsweise bei der Nutzung von Stahl oder Beton an. Der Grund hierfür liegt insbesondere im energieaufwändigen Herstellungsprozess. Daher ist es wichtig, die Anteile von Stahl und Beton im Neubau so weit wie möglich zu reduzieren. Dies kann zum Beispiel durch eine Reduktion der Keller- und Tiefgaragengeschosse und durch Holz-Hybridbauweise für die oberirdischen Geschosse erreicht werden. Teils können Gebäude auch komplett in Holzbauweise errichtet werden. Die Verwendung von Holz ist besonders vorteilhaft, da Holz im Wachstumsprozess CO2 bindet und dieses erst dann wieder an die Atmosphäre abgibt, wenn es verrottet oder verbrannt wird. Jedoch bringt Holz beispielsweise im Bereich des Brandschutzes zusätzliche Herausforderungen mit sich.
 
Auch bei der Erstellung von asphaltierten Wegen und Straßen für unsere Busse, das Rad oder das Auto entstehen Treibhausgasemissionen.
 
3) Gebäudebetrieb und Energieversorgung


Ein nach heutigem gesetzlichen Mindeststandard gebautes Gebäude verursacht über 50 Betriebsjahre häufig nur noch etwa so viele Treibhausgasemissionen, wie bereits bei dessen Bau entstehen – konventionelle Bauweise vorausgesetzt. Insofern sind Baustoffthematik und Verbrauchsthematik als ähnlich relevant zu betrachten. Der Vorteil beim Gebäudebetrieb liegt darin, dass für die Energieversorgung bereits eine Menge erprobter Alternativen verfügbar sind. Aus diesem Grund konzentriert sich die derzeitige Planung vor allem darauf, Wege hin zu einer klimaneutralen Wärme- und Stromversorgung des Hafners aufzuzeigen.
 
4) Mobilität


Gemäß einer Erhebung aus 2018 legen die KonstanzerInnen bereits 75 % ihrer Wege im Stadtgebiet im sog. Umweltverbund (zu Fuß, mit dem Rad, mit dem ÖPNV) zurück. Ziel für eine Klimaneutralität müsste ein an 100 % grenzender Anteil der Wege im Umweltverbund bei gleichzeitigem Betrieb des ÖPNV mit regenerativen Energien sein. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Mobilpunkte zum bequemen Wechsel von einer umweltfreundlichen Fortbewegungsart auf die nächste genauso wichtig, wie gute Anbindungen an die restliche Stadt und die überregionalen Mobilitätsangebote.
 
Herangehensweise an die Aufgabe


Bereits in den 2017 durch den Gemeinderat beschlossenen Rahmenbedingungen wurde festgelegt, dass für den Stadtteil Hafner nach Möglichkeit Klimaneutralität und insbesondere eine in der Jahresbilanz klimaneutrale Energieversorgung angestrebt wird. Dieses Ziel zu erreichen, erfordert an verschiedenen Stellen im Planungsprozess Beiträge. Schon im Planungswettbewerb wurden den teilnehmenden Planungsteams entsprechende Vorgaben gestellt und insbesondere hinsichtlich der energetischen Versorgung des Gebietes eine Nachweisführung gefordert. Im weiteren Verlauf der städtebaulichen Planungen wurde darauf geachtet, Quartiersgaragen nur als Hochgaragen auszulegen, was aus Klimaschutz- und Weiternutzungsgesichtspunkten deutlich vorteilhafter als der Bau von Tiefgaragen ist. Außerdem wird die Reduktion der baustoffbedingten Emissionen Teil der vertraglich zu fixierenden Anforderungen an die einzelnen BauherrInnen sein. Aktuell ist insbesondere die weitere Konkretisierung des Energiekonzepts von Relevanz, da die Energieversorgungsinfrastruktur zu Beginn des ersten Bauabschnitts – ab 2025 – zur Verfügung stehen muss.
 
Erste Ergebnisse aus dem Energiekonzept


Im ersten Entwurf des Energiekonzepts wurden Möglichkeiten untersucht, den Hafner mit einer in der Jahresbilanz klimaneutralen Energieversorgung zu bauen. Die Grundlagen liegen dazu nun vor, sie sollen im Rahmen des weiteren Planungsprozesses vertieft ausgearbeitet werden.
 
In einem ersten Schritt wurden Energiepotentiale vor Ort untersucht und bewertet. Energiebedarfe wurden auf Basis des städtebaulichen Rahmenplans überschlägig errechnet und verschiedene Varianten der Energieversorgung inklusive ihrer Auswirkungen auf die Klimabilanz erarbeitet. Hauptaussage der ausgewählten Variante des ersten, groben Energiekonzepts ist, dass eine erneuerbare und nahezu klimaneutrale Energieversorgung unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Dazu zählen der Bau von Photovoltaikanlagen auf allen geeigneten Dachflächen, ein über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehender Gebäudestandard (KfW-55-Effizienzhaus oder besser) und die Bereitstellung von „Energieproduktionsflächen“. Letztere dienen der Wärmegewinnung und -speicherung mittels Erdwärmesonden (Geothermie) und/oder der Produktion von Strom und Wärme mittels Photovoltaik und Solarthermie. Weitere Optionen, die eine Reduktion der Energieproduktionsflächen ermöglichen würden, werden aktuell noch geprüft.
 
Weiteres Vorgehen


Die Energieversorgungsvarianten werden nun noch weiter ausgearbeitet. Nötig sind unter anderem genauere Kostenberechnungen, das Sichern der benötigten Freiflächen für die energetische Nutzung und das Schaffen einer Abnahmesicherheit für mögliche Errichter und Betreiber der Energieversorgungsinfrastruktur. Auch die sog. „Sektorenkopplung“, also die bestmögliche Verknüpfung der Bereiche Mobilität, Strom und Wärme soll hier Berücksichtigung finden. Die weitere Erarbeitung der Varianten soll in enger Zusammenarbeit zwischen Fachleuten unter Einbezug des lokalen Knowhows der Konstanzer Hochschulen und der Praxispartner erarbeitet werden. Hierfür stellt die Stadt gemeinsam mit mehreren Projektpartnern beim Bundeswirtschaftsministerium einen Antrag auf Förderung im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung.

Mehr Informationen unter www.neuer-stadtteil.de

(Erstellt am 12. Mai 2020 13:23 Uhr / geändert am 12. Mai 2020 14:50 Uhr)