Wohnraum für alle

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft WOBAK wird 100 Jahre alt

Kinder kicken Fußbälle auf eine hausförmige Torwand
Das Jubiläum 2024 feierte die WOBAK mit einem großen Sommerfest. (Bild: M. Moser)

2024 feiert die WOBAK ihr 100-jähriges Jubiläum. In 100 Jahren hat das städtische Unternehmen schon einiges erlebt: die chaotischen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, Nationalsozialismus und Krieg, die Not der Nachkriegsjahre, Wirtschaftswunder, Bauboom der 1960er- und 1970er-Jahre, Wiedervereinigung und das starke Wachstum in den 00er-Jahren durch Migration, Tourismus und Zuzug. Bezahlbarer Wohnraum und Gemeinwohlorientierung durchziehen wie ein roter Faden die gesamte WOBAK-Geschichte.

Man kann diese Entwicklung anhand von Zahlen und Fakten erzählen. Spannender und lebendiger ist es, wenn die Akteure der Zeit selbst berichten. Das heutige Team der WOBAK hat zahlreiche, teilweise hochbetagte, Zeitgenossen ausfindig gemacht, die über 60 Jahre WOBAK-Geschichte miterlebt und mitgeprägt haben. Was haben sie zu berichten über Wohnraum, Stadtentwicklung und sozialen Ausgleich? Was waren die drängenden Themen ihrer Zeit, wo liegen die Unterschiede zum Heute?

Jens-Uwe Götsch nimmt sich Zeit für seine Antworten. Der Diplom-Kaufmann und Immobilienökonom kommt gut gelaunt zum Interview, grüßt auf dem Gang jeden Mitarbeiter, den er trifft, mit ein paar persönlichen Worten. Als das Gespräch auf seine persönliche Motivation kommt, muss er nicht lange überlegen: „Ich glaube, es ist das Erfüllendste, was man haben kann”, erklärt er die Besonderheit seiner Arbeit bei einem städtischen Unternehmen, „weil man für Menschen, die es wirklich brauchen, etwas macht.”

VertreterInnen der Stadt und AufsichtsrätInnen, MieterInnen und GeschäftspartnerInnen – sie alle spiegeln diese Perspektive auf ihre ganz eigene persönliche Weise. Bei den vielen Gesprächen und Interviews kristallisiert sich eine Erkenntnis besonders heraus: Die WOBAK ist ihrem sozialen Gründungsauftrag immer treu geblieben.

Wie alles begann…
1924. In Konstanz atmen die Menschen auf. Mit der Währungsreform wird am 30. August die neue Reichsmark eingeführt – und so die Hyperinflation endlich überwunden, auf deren Höhepunkt einige Monate zuvor ein Brot noch 200 Milliarden Mark gekostet hatte. Nach den Wirren der Jahre nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg hoffen die Menschen nun auf eine neue Ruhe und Stabilität.

Doch noch spürt man in Konstanz die Folgen der schwierigen Jahre. Über 1.000 Wohnungen fehlen in der Stadt – und private Investitionen im Wohnungsbau gibt es kaum. Für die Stadtverwaltung und engagierte Bürger wird die Situation unhaltbar. Am 31. Oktober 1924 kommen sie nach zahlreichen Beratungen zusammen, um die Gründung einer neuen Wohnungsbaugesellschaft zu beschließen: die Geburtsstunde der WOBAK.

Auch das traditionsreiche Konstanzer Handwerk sitzt mit am Tisch: Durch den Einbruch des Wohnungsbaus leiden zahlreiche Handwerksbetriebe unter Auftragsmangel. Den Ton gibt aber Baubürgermeister Fritz Arnold an. Der Ingenieur ist in diesen Jahren überall in Konstanz zu finden, nur wenige Jahre später etabliert er etwa die bekannte Buslinie, die bis heute seinen Namen trägt – der „rote Arnold“.

Mit an Bord ist auch der jüdische Architekt Josef Picard. Der hat sich schon vor dem Krieg einen Namen in der Stadt gemacht, als er mit seinem Büropartner Hermann Ganter gemeinsam die Planungen für das Gebäudeensemble Marktstätte 17, 19, 21 übernimmt (in dem 1912 bis 1913 errichteten Gebäude befindet sich heute eine Apotheke).

Die Gründer haben also ihre eigenen Perspektiven auf die Weiterentwicklung der Stadt. Aus den erhaltenen Quellen erfahren wir, wie sie die Probleme des Wohnungsmangels gemeinsam zu lösen versuchen. Schon 1924 wird im Gesellschaftsvertrag der Auftrag der WOBAK klar festgeschrieben: „Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke und hat zum Gegenstand die Förderung des Kleinwohnungsbaues für die minderbemittelte Bevölkerung durch Beschaffung billiger, gesunder und zweckmäßig ausgestatteter Wohnungen.“ Der noch heute bestehende Grundstein der Gemeinwohlorientierung ist gelegt.

WOBAK oder WOBAG?
Jens-Uwe Götsch muss schmunzeln, als sich das Gespräch seiner Anfangszeit zuwendet. 2018 beginnt er als Geschäftsführer bei der WOBAK. Eigentlich klappt der Einstieg sehr gut – aber ein seltsames Detail läuft ihm immer wieder über den Weg: „Ich habe mich dann doch gewundert: Warum schreiben denn so viele Wohnungsbewerber die WOBAK mit G?”

Die Antwort findet sich in der Vergangenheit. Denn gegründet wird die Gesellschaft 1924 tatsächlich unter dem etwas sperrigen Namen „Gemeinnützige Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Oberbaden“. Im Alltag prägt sich aber schnell eine andere Bezeichnung ein. Schon 1934 bemerkt der Aufsichtsrat: „Es hat sich im Sprachgebrauch für den langen Firmennamen unserer Gesellschaft das abgekürzte und leicht auszusprechende Wort ‚Wobag‘ eingebürgert.“

Hauptaktionär ist damals die Stadt Konstanz, neben der Handels- und Handwerkskammer, dem Gewerbeverein und der Ortsgruppe des Bundes Deutscher Architekten. Mit der Stellung als Aktiengesellschaft können aber auch immer wieder andere Geldgeber gewonnen werden: Vor allem für engagierte Firmen aus der Region, die lokal und sozial investieren wollen, wird eine Beteiligung an der AG zu einer interessanten Option.

Als die WOBAG 1979 von einer AG in eine GmbH umgewandelt wird, wird sie schließlich zur WOBAK – offiziell: „WOBAK Städtische Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH“ – das „K“ steht schlicht für Konstanz. Ihre finale Rechtsform erhält die WOBAK schließlich 1991, nachdem die Gemeinnützigkeit in der deutschen Wohnungswirtschaft abgeschafft worden war. Seit diesem Jahr wird sie als „WOBAK Städtische Wohnungsbaugesellschaft mbH“ im Handelsregister geführt. Am zentralen Unternehmensziel ändern die geänderte Rechtsform und der neue Name aber nichts. Auch im aktuellen Gesellschaftsvertrag der WOBAK von 2020 heißt es: „Die Gesellschaft versorgt mit Vorrang breite Schichten der Bevölkerung mit Wohnungen (sozialer Zweck).“

Stadt und WOBAK – ein Blick hinter die Kulissen
Die Herausforderung, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, begleitet die WOBAK seit ihrer Gründung – auch in den Jahren um die Jahrtausendwende. Davon können Bruno Ruess (damals Geschäftsführer), Ulrich Eppler (damals Leiter der Technischen Abteilung) und Joachim Lehmann (damals Referent der Geschäftsführung) ein Lied singen. Es ist nicht die erste Wohnraumkrise in der Geschichte der Stadt, aber unter den komplexen Bedingungen der modernen Verwaltung wird die Aufgabe nicht leichter. „Es geht nicht allein. Es geht nur im Team“, betont deshalb auch Bruno Ruess. „Wir können die Wohnungen bauen, aber wir brauchen Unterstützung“, denn: „Wenn wir nicht bauen, baut niemand.“

Der verwaltete Bestand (inkl. gewerblicher Einheiten und Garagen) wird in der Ära von Ruess, Lehmann und Eppler fast verdreifacht. Auch das neue Dienstleistungszentrum, das von Ulrich Eppler als Architekt geplant und 2004 eröffnet wird, ist Ausdruck dieses Wandels. Die WOBAK entwickelt sich stetig zu einem Dienstleistungs- und Serviceunternehmen. Zudem wächst sie mit ihren Aufgaben – auch in Bezug auf die Mitarbeitendenzahl: 1992 arbeiteten dort 31 Menschen, heute fast dreimal so viele.

Ein bisschen Stolz schwingt mit, wenn die drei über ihre Arbeit erzählen. Aber Bruno Ruess weiß auch, wie wichtig der Austausch mit der Verwaltung ist. „Ohne Stadt ging nichts, aber ohne WOBAK ging auch nichts“, erzählt er. Marion Klose stimmt ihm zu. Die Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Umwelt betont die gute Zusammenarbeit: „Eine Besonderheit liegt wirklich in dieser Stadtgröße, in der Nähe, die Stadt und WOBAK und auch andere Institutionen miteinander haben, und auf kurzem Wege immer wieder viele Herausforderungen
auch miteinander klären können. Die Wege sind kurz, die Telefonnummern sind bekannt.“

Arbeiten und feiern – im Jubiläumsjahr und darüber hinaus
Das Jubiläum bietet den Anlass zum Feiern. Und für alle bei der WOBAK ist von Anfang an klar, dass es dabei um die Menschen gehen soll. In diesem Sinne hat die WOBAK die Forschung zum Jubiläum im März 2024 öffentlich vorgestellt und im Juni alle MieterInnen zum Sommerfest am Benediktinerplatz eingeladen.

Geschäftsführer Jens-Uwe Götsch weiß genau, wie hart seine Mitarbeitenden arbeiten. Als die Frage auf die Jubiläumsfeier kommt, muss er nicht lange überlegen: „Ich wünsche uns eine schöne Feier – die alle auch verdient haben.“ Und blickt dann ein wenig in die Zukunft: „Ich wünsche uns auch mindestens die nächsten so erfolgreichen 100 Jahre, dass die WOBAK so weitermacht und auch die Freiheit bekommt, so weitermachen zu dürfen.“

Dem stimmt der Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende, Uli Burchardt, zu: „Die WOBAK hat eine schwierige Aufgabe. Die Teams machen eine tolle Arbeit zum Wohl der Menschen in der Stadt. Und deshalb soll die WOBAK sich an diesem Tag und zu diesem Jubiläum auch mal selbst ein bisschen feiern und sich beklatschen lassen.“

(Erstellt am 04. Oktober 2024 11:04 Uhr / geändert am 04. Oktober 2024 11:24 Uhr)