Delegationsreise nach Berdytschiw

Das Hauptamt zu Besuch in der Konstanzer Solidaritätspartnerstadt

lange Wand mit angebrachten Fotografien
Das Denkmal für die Gefallenen des Krieges in Berdytschiw

Im Juni 2024 hat der Stadtrat eine Solidaritätspartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Berdytschiw beschlossen. Die Stadt hat rund 70.000 EinwohnerInnen und liegt 180 Kilometer südwestlich von Kiew. Mit dem Beschluss hat sich die Stadt die Umsetzung humanitärer und sozialer Projekte, den kulturellen Austausch sowie die Unterstützung bei der Sicherung der Infrastruktur zum Ziel gesetzt. Vor allem aber ist die Solidaritätspartnerschaft ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen eines europäischen Landes, das durch den russischen Angriffskrieg großes Leid erfährt. Inzwischen wurden einige Projekte umgesetzt. Die Stadtwerke Konstanz konnten zwei sehr gut erhaltene Blockheizkraftwerke zur dezentralen Strom- und Wärmeerzeugung sowie zwei Tiefbrunnenpumpen zur Wassergewinnung zur Verfügung stellen. Die Feuerwehr lieferte ein Löschfahrzeug mit leistungsstarker Pumpe für die Wasserversorgung. Ende Oktober trafen die Hilfsgüter in Berdytschiw ein.
 
Auf Einladung des Bürgermeisters von Berdytschiw, Serhij Orljuk, besuchte eine Delegation die Partnerstadt. Nach eineinhalb Tagen Anreise erreichten Charlotte Biskup (Leiterin des Hauptamtes), Martin Schröpel (stellvertretender Hauptamtsleiter) und Iryna Kuzmenko (ukrainische Mitarbeiterin der Stadtverwaltung) wohlbehalten das Ziel. Erste Überraschung auf der 8-stündigen Zugfahrt: durchgehend perfektes WLAN von der polnisch-ukrainischen Grenze bis in die Stadt Winnyzja.
 
In Berdytschiw wurde die Delegation sehr freundlich empfangen. Gastfreundschaft und Herzlichkeit begleiteten die Delegation von der ersten bis zur letzten Minute ihres Aufenthaltes.
 
Gleich am ersten Abend nach der langen Reise wurde die Delegation zu einem Konzert einer der angesagtesten Rockbands der Ukraine, Antytila, eingeladen. Die Bandmitglieder sind Soldaten, die im Krieg waren, ihre Musik ist ergreifend und aufwühlend, ein Spiegel einer Nation im Krieg. Die Stimmung im Saal war sehr emotional. Überwiegend Frauen, die Männer sind an der Front. Nach dem Konzert wurde die Delegation aus Sicherheitsgründen nicht in der Stadt, sondern 25 Autominuten außerhalb untergebracht. Nach der Begrüßung und der Besichtigung des Rathauses am nächsten Tag besuchte die Delegation das städtische Krankenhaus in Berdytschiw mit der angeschlossenen Rehabilitationsabteilung. Es wurde sehr deutlich, dass die Ärzte, Therapeuten und Pflegekräfte mit großem Engagement an der Verbesserung der Versorgung und Behandlung arbeiten. Aber auch der Bedarf an medizinischer und therapeutischer Ausstattung wurde deutlich. Es bestand großes Interesse an einem Gegenbesuch in einer deutschen Einrichtung.
 
Am späten Vormittag begann der Besuch der Schule „Territorium 12“. Den Namen der Schule hatten sich die SchülerInnen nach einem Ideenwettbewerb selbst ausgesucht. Da an der Schule Deutsch unterrichtet wird, erfolgte die Begrüßung durch die SchülerInnen in sehr gutem Deutsch. Nach dem Besuch des Physikunterrichts und des Raumes, der der Verteidigung der Ukraine gewidmet ist, wurde in Berdytschiw Luftalarm ausgelöst und alle 800 Kinder und Jugendlichen, einschließlich der Delegation, begaben sich in die Luftschutzkeller. Die Kinder und Jugendlichen waren offensichtlich schon daran gewöhnt, der Unterricht ging eingeschränkt weiter. Ein Chor sang Lieder und eine Sportgruppe führte Judoübungen vor.
 
Nach einer Dreiviertelstunde wurde der Fliegeralarm aufgehoben und die Delegation konnte noch aktiv am Tanz- und Sportunterricht teilnehmen. Großes Interesse bestand an einer Schulpartnerschaft mit Konstanz. Am Nachmittag besichtigte die Delegation die städtischen Einrichtungen zur Wassergewinnung und Energieversorgung. Das Trinkwasser wird in Berdytschiw aus dem nahegelegenen Fluss gewonnen, der sich offensichtlich in keinem sehr guten ökologischen Zustand befindet. Auch die technischen Anlagen waren sichtbar sanierungsbedürftig.
 
Anschließend nahm die Konstanzer Delegation an der feierlichen Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages zwischen Berdytschiw und der polnischen Stadt Wlodawa teil. Am Nachmittag wurden am Denkmal für die Gefallenen des Krieges Blumen niedergelegt. Die Gedenkstätte zeigt ca. 500 Fotografien von jungen Männern und Frauen, die in diesem Krieg bisher gefallen sind.
 
Der Abend begann mit dem Besuch eines Musicals und endete mit einem wunderbaren Abendessen mit viel Gesang.
 
Am nächsten Tag wurden weitere Betriebe und das „Heiligtum der Barfüßigen Karmelitinnen“ besucht. Neben dem Besuch des Friedhofs für die Gefallenen war der Besuch des jüdischen Museums sehr bewegend. In der Nähe von Berdytschiw hatte die SS während des Zweiten Weltkrieges an einem Tag 12.000 Jüdinnen und Juden erschossen.

Wie geht es weiter?
 
Im Mai 2025 freut sich die Stadt Konstanz auf 10 SchülerInnen aus Berdytschiw, die zum Europakonzil der Jugend eingeladen wurden. Hier werden sie mit Jugendlichen aus den anderen Partnerstädten zusammentreffen. Darüber hinaus sind Besuche von Musikgruppen und Chören ebenso denkbar wie weitere konkrete Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität und der Gesundheitsversorgung, aber auch Hospitationen von Fachkräften.
 
Die Reise hat gezeigt, dass es richtig und wichtig ist, die Ukraine und in direkter Partnerschaft die Stadt Berdytschiw zu unterstützen.

(Erstellt am 15. November 2024 15:53 Uhr / geändert am 29. November 2024 16:45 Uhr)